Dr. Wolf Siegert, Iris Media Mannheim, nimmt in einem Leserbrief Stellung zu dem Artikel "ISDN-Premiere SWF"
in: MEDIEN BULLETIN, 6 (1991), 6.
Lassen Sie uns gleich auf den Punkt kommen: Der wirklich interessante Beitrag des Kollegen Eckstein hat einen kleinen, aber aus unserer Sicht wichtigen Schwachpunkt. Im Überschwang der Begeisterung ob der "zukunftsweisenden Innovation im Bereich der TV-Bild-Übermittlung" ist der vorangestellte Satz "ein Vorgang, der bislang einzigartig in der Geschichte des Deutschen Fernsehens" too much: Nicht nur eine Übertreibung, sondern schlicht falsch.
ISDN-Netze für eine erfolgreiche Bildübertragung hat die ARD erstmals anlässlich der Funkausstellung 1989 (!) eingesetzt - und das sogar für Bewegtbilder! Die "Premiere auf der IFA" fand in Wirklichkeit am 26. August 1989 in Berlin statt. So können Sie es selber nachlesen, z. B. in "Kabel & Satellit" 1989, Nr. 32, S.11. In der Anlage gleich ein weiterer Text, den ich am 11. März auf Einladung des "European ISDN User Forums" in Brüssel ausführlicher erläutern werde. Anbei zugleich der Hinweis auf eine weitere von uns betreute ISDN-Anwendung, die in Zusammenarbeit mit den französischen Fernsehanstalten bereits seit längerem läuft und die demnächst auch in Deutschland eingesetzt werden wird, IMAGE DIRECTE. Alles das hier zunächst schriftlich, da ich die nächsten Tage nicht in Deutschland sein werde. Wenn ich nach der CeBIT wieder in Mannheim sein werde, bin ich gerne bereit, zu diesem Thema im einzelnen und mündlich Stellung zu nehmen.
Es soll hier nicht darum gehen, gute neue Anwendungen in Ihrer großen Bedeutung schmähen zu wollen - ganz im Gegenteil, das Thema liegt in der Luft - und wir können nach unseren Erfahrungen das besondere Interesse des SWFs an diesem Thema bestätigen. Gerade an den technischen Pilotversuchen waren Kollegen von der Technik des Hauses maßgeblich beteiligt, als wir 1989 erstmals ISDN-Anwendungen in und mit der Öffentlichkeit vorbereiteten. Aber auch wir möchten uns - gemeinsam mit der ARD und dem FTZ - als die Urheber der ersten erfolgreichen ISDN-Anwendung in der Rundfunkgeschichte bestätigt wissen. Ich lege aber Wert auf die Feststellung, dass der hier dargestellte Vorgang "einzigartig" war, als er durch unser junges Institut in Zusammenarbeit mit dem FTZ und der ARD (auch der SWF war damals schon an den technischen Versuchen maßgeblich beteiligt) erfolgreich initiiert worden ist. Vielleicht hätten wir damals bereits mehr von uns reden machen sollen. In diesem Sinne - der "neuen" Redaktion die besten Grüße,
Dr. Wolf Siegert
Lieber Dr. Siegert, herzlichen Dank für Ihr Schreiben.
Ihre Verärgerung, als ISDN-Pionier keine Erwähnung gefunden zu haben, verstehen wir gut. Ihre "Bildtelefon"-Aktivitäten gemeinsam mit der ARD auf der IFA ’89 sind uns bekannt. Die Rolle Ihres Unternehmens "Iris Media Consulting" als "Mittler zwischen Bundespost und ARD" und Ihr Bemühen um die ISDN-Nutzung im TV-Bereich sind natürlich anerkennenswert. Trotzdem haben wir darauf verzichtet, hierauf einzugehen, weil unser Beitrag einen völlig anderen Anwendungsbereich betrifft:
Auf der IFA 91 ging es darum, die interaktive Kommunikation zwischen Zuschauer und TV-Sender via Bildtelefon zu erproben. Beim SWF jedoch wurden Standbilder in hoher Qualität und "sendefähigen" TV-Signalen kurz vor einer Sendung via ISDN übermittelt. Mit Hilfe einer eigens dafür erstellten Software und eines beliebigen PCs können diese Bilder während einer Sendung vom Moderator selbst direkt abgerufen werden. Dieser Vorgang, wir bleiben dabei, ist in der Tat "bislang einzigartig in der Geschichte des Deutschen Fernsehens". Dass die Benutzung von ISDN-Leitungen im TV-Sektor bislang ohne Beispiel ist, haben wir explizit nicht behauptet. Das "geschlossene System" Bildtelefon mit dem "offenen System CIS’90" zu vergleichen, macht wenig Sinn. Letztlich sind dies zwei unterschiedliche Paar Schuhe, was auch Axel Sladek, Vertriebsberater beim Fernmeldeamt Bonn bestätigt. Er weist darauf hin, dass ein farbiges Bewegtbild über ISDN auf Grund der hohen Datenmenge normal gar nicht zu übertragen sei. Nur über ein "ausgefuchstes Komprimierungsverfahren" sei dies realisiert worden, allerdings unter Inkaufnahme von starkem Qualitätsverlust (keine Videoqualität, Bewegungen verwischen auf dem Bildschirm). Für den TV-Studio-Bereich, wie beim SWF-Beispiel, ist diese Technik daher irrelevant. Hier ist eine schnelle und qualitativ absolut hochwertige Lösung beim Image Transfer gefragt.
Ihre MEDIEN BULLETIN- Redaktion
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